Kolumne



Februar 2018

Gedanken um "Hygge"  bzw. sukha

 

So langsam nimmt das Jahr 2018 Fahrt auf und ich bin immer noch immer in Gedanken um Hygge bzw. sukha.
Hierzu lese ich einen buddhistischen Spruch des XIV. Dalai Lamas:

„Jeder ist der Meister seines Schicksals. Es ist an uns, die Ursachen des Glücks zu schaffen. Das liegt in unserer eigenen Verantwortung und nicht in der irgendeines anderen“.

Wow! Die Ursachen für Glück! Zumeist suchen wir nach den Ursachen des Leides. Eine völlig andere Blickrichtung. Ich spüre, diese Ausrichtung nimmt mich mit. Sie lenkt den Blick auf „Glück“ und weniger auf „Leid“. Sind wir nicht schon ausreichend trainiert darin, nach den Ursachen unseres Leides Ausschau zu halten? Es ist ja nun nicht so, dass, wenn wir den Blick in diese „Glücksrichtung“ wenden, wir von den „Unglücksfaktoren“ befreit wären. Es ist aber so, dass wir unsere Perspektive auf etwas Positives ausrichten und: ist es nicht unsere Ausrichtung die darüber bestimmt, was wir erhalten werden?

In den vergangenen Jahren ist mir immer mehr der Gedanke gekommen, ob die Leute wirklich glücklich sein wollen? Frage Dich mal selbst. Willst du wirklich glücklich sein? – WIRKLICH?

Und: Bist du bereit, die volle Verantwortung für dein Glück zu übernehmen?
Um in eine authentische Antwort hinein zu finden – also: bitte kein plattes, schnelles Ja! - scheint es mir wichtig zu sein, sich zu fragen, welcher Gewinn sich in der Suche nach Glück verstecken mag? Und ist es nicht ebenso legitim zu fragen, welcher Gewinn in meinem Unglück liegt? Glück verbinden wir doch oft mit den äußeren Umständen. Ist authentisches Glück wirklich an Äußerlichkeiten gebunden?
Unsere Erfahrung zeigt zumeist, dass sich im steten Wandel des Lebens unsere Glücksmomente und Leidmomente abzuwechseln – je nach Wetterlage in unserem Leben. Es scheint so zu sein!

Die Yogatexte verweisen auf ein Glück in uns hin und die Hathayogapradipika (2. Kapitel Sloka 78) beschreibt einen Menschen, dessen Inneres geklärt und weniger wechselhaft ist mit folgenden Merkmalen: Schlankheit des Körpers, Heiterkeit in den Gesichtszügen, gutes Verdauungsfeuer, Gesundheit und vollständige Reinheit der Nadis (der Energiekanäle). Und das Wichtigste: eine vollkommen klare mentale Wahrnehmungsfähigkeit.

Wirkliches Glück bezieht also das Innere ein und, das kannst Du einem Menschen ansehen. Wir fühlen uns von solchen Menschen angezogen, aber gleichzeitig kann ich beobachten, dass es auch viele gibt, die Menschen mit diesen Qualitäten schwer in ihrem unmittelbaren Umfeld ertragen können. Meine Beobachtung ist, dass es eher darum geht, uns mit unseren Problemen „die Kante zu geben“. Wir fühlen uns dann zugehörig zur Gemeinde der Problembehafteten. Einerseits sehnen wir uns nach Glück und andererseits fällt es uns schwer, uns ins Glück zu entlassen! Puhhh… was für ein Paradoxon!
Frage dich: Kannst du einen Menschen um Dich herum ertragen, der wirklich glücklich ist? Kannst Du Dich mit und an ihm erfreuen?
Viele trauen sich nicht heraus aus der großen Gemeinde der Leid Tragenden. Was geschieht mit mir, wenn ich diese Gemeinde verlasse? Ich kann dich beruhigen: Du tauchst ein, in die Gemeinde des Glücks! Und herauszufinden was Deine ganz persönliche Ursache für Glück ist, ist bereits Glücksgarant. Das Leben gewinnt an Würze.

Wir alle sitzen der Täuschung auf, dass das Leben nach unserer Musik spielen sollte. Ist das wirklich so? Hat das Leben nicht einen eigenen Rhythmus? Hat Dein Leben nicht einen eigenen Rhythmus? Finde ihn heraus! Sei gut zu Dir selbst und lege diese erste wichtige Ursache für Dein Glück. Die Gehirnforschung zeigt auf, dass, wenn Du in deinem Rhythmus schwingst und Dich an ihn anlehnen lernst, Dein Stresspegel abgebaut wird. Jede dynamische, an den Atemfluss angepasste Übungsfolge im Yoga möchte Dich an diese Ursache heranführen. Doch leider treten oft Yogaübende mit der Absicht der Selbstoptimierung auf die Matte. Für mich Ursache und Verstärker unseres Leidenskreislaufs. Höher, schneller, weiter – das macht krank! Bitte nicht falsch verstehen – ich habe nichts gegen Ziele! Ich habe nichts gegen Wachstum!

Ich trete ein für einen reelleren Umgang mit den eigenen Ressourcen. Die Not der Überforderung wendet sich durch einen Perspektivwechsel und durch eine Übernahme der Verantwortung dem eigenen Rhythmus gegenüber.
Hierzu ein wertvoller Hinweis aus dem zweiten Kapitel im Sutra 5: Hier weist Patanjali auf einen wesentlichen Störfaktor hin: avidyã - die Selbsttäuschung oder die Verwechslung der Realität mit meiner Vorstellung von ihr.

Wir sehen die Welt nicht wie sie ist, sondern wie wir sind. Unser inneres Klima entscheidet darüber, wie wir wahrnehmen. Denke doch nur mal an „Verliebt sein“. Was stört Dich im Zustand des Verliebt seins wirklich? Ist die Welt anders? Lösen sich Deine Probleme im Außen? Sie lösen sich scheinbar, weil Du innerlich eine „Weite“ verspürst - eine Ausrichtung erlangt hast, die Dein Herz anspricht und mit dieser Weite im Herz trittst Du dann an die Welt heran. Du erlebst sukha (Leichtigkeit) und Du hast das Gefühl alle Hürden im Leben nehmen zu können. Der Gegenpart ist das innere Gefühl von duhkha (Enge und Schwere). In ihm fühlen wir die Last des Lebens.
Für unser Sukha zeichnen wir persönlich verantwortlich. Wie? Dadurch, dass wir nach den Ursachen für Glück in unserem Leben forschen!

Avidyã meint: das innere Klima ist nicht in Balance. Diese Inbalance, gekennzeichnet durch z.B. Unruhe, bestimmt die Wahrnehmung von der Welt. Du interpretierst aus dieser vernebelten, verschleierten (Maya) Sicht die Welt fehl und kreierst unstimmige Handlungen. Die Ursache für Leid wird gelegt.

Vidyã meint: Du weißt um die Tendenz in Dir: „Ich kann mich irren“ „Ich muss nicht recht haben“. Du bist achtsam in Deinen Handlungen, klar in Deinen Absichten. Das kreiert Handlungen aus Weisheit. Die Ursache für Glück ist gelegt.

Durch Praxis mit Körper und Atem streben wir im Yoga Balance in Gedanken und Gefühlen an, damit Weisheit durch uns handeln kann. So verstanden, möchte Yoga in ein achtsames Handeln führen, dass nicht die Abbildung unserer Triebkräfte und Verhaltensmuster beinhaltet, sondern unserem Weisheitspotenzial (buddhi) entspringt.
Wir bemühen uns, reflektieren und lassen los im Wissen, dass alles seinen eigenen Rhythmus hat. Sich auf diesen Rhythmus lernen vertrauensvoll und reflektiert einzulassen ist Kriya Yoga gemäß Patanjali (II.1).

Im eigenen Rhythmus sein kann die Qualität des sukha entfalten. Eine Zufriedenheit, die Ursache für Glück ist.

Die stärkste Täuschung der wir unterliegen ist die, das wir meinen, für die Suche nach den Ursachen des Glücks genug Zeit haben! Sollten wir nicht vielmehr sofort beginnen zu forschen, wo die Ursachen für sukha liegen? Sie sind da! Es ist nur eine Frage der Perspektive!