Kolumne



Januar 2018

Yoga  ein "Hygge"?  Lebensqualität durch Übung und Meditation

 


Es ist Heiligabend und mein Mann und ich erhalten ein Buchgeschenk unserer Nichte mit den Worten: „ Dies ist derzeit ein Bestseller und schwer zu kriegen“.
Der Titel „Hygge, ein Lebensgefühl das einfach glücklich macht von Meik Wiking“ bringt mich zum Schmunzeln, denn es ist ein zentrales Thema in meiner Tätigkeit als Yogalehrerin. Das dänische „Hyyge“ ist das yogische „sukha“ was soviel heißt wie „das Süße“ „das Glückbringende“ und bildet das Gegengewicht zu duhkha „dem Schweren, dem Drückenden – das, was den inneren Raum verengt und stört“.

In der Einleitung des Buches wird Pu der Bär zitiert, der darüber nachsinnt, das der korrekten Aussprache des Wortes „Hygge“ weniger Bedeutung beigemessen wird als dem Gefühl für dessen Bedeutung.
Man spricht es nicht aus, man fühlt es“  Pu der Bär weist darauf hin, sich kein Bild, keine Vorstellung zu machen, sondern sich einzulassen auf eine unmittelbare Erfahrung.
Das scheint uns irgendwie abhanden gekommen zu sein, diese Fähigkeit des Einlassens, des Zulassens, des gegenwärtigen Empfindens.
„Hygge“ wird übersetzt als „eine Kunst zur Innigkeit“, als ein Gefühl „der Gemütlichkeit der Seele“. Aber auch folgende Übersetzung ist interessant: „die Abwesenheit jeglicher Störfaktoren“. Mit diesem Gedanken kommen wir im Yoga an.

Im wichtigsten Grundlagentext des Yoga – das Yogasutra von Patañjali – wird Yoga als ein mentaler Zustand benannt, dessen wesentliches Merkmal die Abwesenheit von inneren Störfaktoren ist oder anders ausgedrückt: eine innere Atmosphäre tiefer Gelassenheit in der uns unser „inneres Geschwätz“ wenig beeindruckt.

Der Yogazustand ein „Hygge“? Ein netter Gedanke. Ich bin den Dänen und ihrer Lebensart sehr nahe und die Glücksforschung hat das dänische Volk wieder einmal – und nebenbei auch uns Schleswig-Holsteiner – zur glücklichsten Nation erkoren. Was ist ihr Geheimnis und was stellt die Brücke zum Yoga dar?

Zunächst ist es wichtig zu klären, es geht hier nicht um Dinge, sondern um Erleben. Was ist mein „Hygge“? Was in mir weiß um „Hygge“? Wer ist der Wissende, der Erlebende des „Hygge“?

Sich solchen Fragen zuzuwenden kann „Glücksgarant“ sein. Den eigenen Fragen nachgehen und lernen in die Antwort „hinein zu leben“ macht glücklich, denn wir erfahren Sinn.
Jeder von uns als Individuum muss hier seinen persönlichen Weg finden, den Weg zu einem gegenwärtig echten Gefühl der Harmonie.

 

Der Yoga kann Inspiration sein. Er klärt die „Störfaktoren“ und den Prozess ihrer Umwandlung in ein „Hygge“. Welchen Tipp geben die Dänen? Als erster Faktor wird die Entzündung von Licht genannt. Wieder eine Analogie zum Yoga.
Der Hatha Yoga ist der Yoga der Balance, der das innere Licht lockt sich zu entfalten. Der Hatha Yoga als Lampe für „Hygge“. Die Dänen machen es simpler. Sie gestalten sich eine äußere Atmosphäre der Behaglichkeit, eine Gemütlichkeit, in der die Seele sich gerne aufhält, sich innig einrichten kann, indem sie Kerzen entzünden. Dem Raum eine heimelige Atmosphäre geben.
Das ist ein Übungsaspekt des Yoga – er lädt ein, eine Atmosphäre der Behaglichkeit, der Reinheit im eigenen Raum, also auf körperlicher und geistiger Ebene zu schaffen, damit sich das Licht der Seele ausbreiten und gemütlich einrichten kann.

Der Mensch ist dazu in der Lage, sich diese innere Atmosphäre zu erschaffen. Er ist mit allen Werkzeugen ausgestattet, das ihm innewohnende Licht zu potenzieren. Es braucht lediglich den tiefen Wunsch und die Entscheidung für die Beseitigung der Störfaktoren.
Zunächst wirft Licht Schatten, doch wenn es wächst vertreibt es ihn auch. Befreien wir unsere Schatten nicht, werden sie uns übel mitspielen und unser „Hygge“ stören.
Glauben wir jedoch an die Möglichkeit das Licht zu potenzieren, richten wir uns konstant darauf aus, dann schaffen wir die Möglichkeit des Erlebens. Wie ein Baum müssen wir lernen, die Saat in uns aufgehen zu lassen, sie zu hegen, zu pflegen, um
Wurzeln zu schlagen in diesem Gedanken.

Yoga und seine Weisheitstexte sind voller praktikabler Ideen für diese Hege. Praxis bedeutet erleben, erfahren und weniger verkopfen. Durch Übung und durch Wachen über die Innigkeit meiner Erfahrung hat sich „Hygge“ in meinem Wesen eingerichtet. Dafür bin ich dankbar und...ich bin es mir wert, mich hierfür anzustrengen.
„Hyyge“ benötigt vorbereitende Handlungen, damit sich schrittweise eine Innigkeit, eine Gemütlichkeit mit dem eigenen Wesen einstellen kann. Erleben, fühlen wir diese Harmonie in uns, wird es Aufgabe über diesen wissenden Teil unseres Selbst zu wachen – das ist Meditation.

Die Yogatexte verweisen darauf, dass dann das Leben leichter wird.
„Hygge in uns, also Harmonie im Fühlen und Denken schenkt Klarheit und wir entwickeln ein Gefühl für die Lösung unserer Aufgaben“ (Patanjali Yoga Sutra I.40)

 

 

So verstanden, ist der Yoga mehr als ein Körperorientierter Weg. Er verspricht Lebensqualität durch Übung und lehrt, über sie zu wachen. Er verspricht Freude und innere Weite darüber, sich am eigenen Lebensglück beteiligen zu können.

Ich wünsche Dir das Süße, das Leichte und die Entscheidung, dass Du es Dir wert bist, für diese Lebensqualität einzutreten – der Yoga hat hierfür einen Namen: tapas.

Literaturverweis:
- Hygge, ein Lebensgefühl das einfach glücklich macht, Meik Wiking, Lübbe Verlag